Forschungsschwerpunkt: Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland

Forschungsfragen:
— Welchen Verlauf haben psychische Auffälligkeiten von der Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter?
— Wie wirken sich Risikofaktoren (wie niedriger sozioökonomischer Status, psychische Probleme der Eltern) und Schutzfaktoren (zum Beispiel Selbstwertgefühl, soziale Unterstützung) auf die psychische Gesundheit von Kindern aus?
— Wie sieht die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Auffälligkeiten aus?
— Wie beeinträchtigen psychische Auffälligkeiten die Lebensqualität von Kindern und ihren Familien?
— Welche Tools und Instrumente eigenen sich zur Befragung von Kindern und Jugendlichen?

Seit November 2010 arbeite ich als leitende Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe Child Public Health von Frau Prof. Ravens-Sieberer. Unser Ziel ist es gesundheitsrelevantes Verhalten von Kindern und ihren Familien besser zu verstehen, um Krankheiten vorzubeugen beziehungsweise bestehende Beeinträchtigungen besser behandelbar zu machen. Voraussetzung dafür ist fundiertes Wissen. Deswegen führen wir in unserer Arbeitsgruppe Studien zur Kindergesundheit durch, oft mit Tausenden Kindern und Jugendlichen.

Zum Beispiel die  BELLA-Studie. Sie  ist eine der größten und wichtigsten epidemiologischen Kohortenstudien zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland und wird als Zusatzmodul zur KiGGS-Studie (> 17.000 Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 17 Jahren) des Robert Koch-Instituts durchgeführt. Eine für Deutschland repräsentative Stichprobe von ca. 3.000 Kindern und Jugendlichen sowie ihre Eltern wurde im Rahmen der BELLA-Studie seit 2003 mehrfach detailliert zu ihrer psychischen Gesundheit, zu Risiko- und Schutzfaktoren und zur Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen befragt. Wir haben 2017 die fünfte Befragungswelle abgeschlossen. Die Daten werden mittels eines computergestützten Telefoninterviews und anschließender schriftlicher Befragung erhoben. Es werden etablierte und psychometrisch geprüfte Untersuchungsinstrumente eingesetzt und jeweils ein Elternteil sowie zusätzlich ab 11 Jahren die Kinder selbst befragt. Entstanden ist ein riesiger Datenschatz, den wir gemeinsam mit Experten aus ganz Deutschland auswerten.

Zu meinen Aufgaben gehörte es in den letzten Jahren, die Messinstrumente zu entwickeln, die Befragungen durchzuführen – was bei so großen Befragungen eine ziemliche Herausforderung ist – die Daten auszuwerten und in Form von Publikationen sowie Kongressbeiträgen und Vorträgen zu veröffentlichen. Damit werden die Ergebnisse Öffentlichkeit, Wissenschaft und Entscheidungsträgern zugänglich gemacht mit der Hoffnung, dass die Erkenntnisse zur Förderung der Gesundheit von Kindern in Deutschland beitragen.

Denn:

  • Psychische Auffälligkeiten betreffen viele Menschen. Die 12-Monats-Prävalenz psychischer Störungen für Erwachsene beträgt in Deutschland 28%. 1
  • 50% der psychischen Auffälligkeiten beginnen vor dem 14. Lebensjahr. 2
  • Depression gehört zu den Krankheiten mit der größten Krankheitslast. Das heißt, die Einschränkungen der Lebensqualität durch die Krankheit sind besonders hoch. Außerdem sterben viele depressive Menschen durch Suizid. 3

Psychische Auffälligkeiten verursachen hohe individuelle und gesellschaftliche Kosten und ihre Prävention und Behandlung sollte eine wichtige Priorität sein.

Nach 10-jährigem Ringen und drei Anläufen hat Deutschland seit Mitte 2015 endlich ein Präventionsgesetz. Die Bundesregierung will mit einem neuen Gesetz dafür sorgen, dass Krankheiten möglichst gar nicht erst entstehen und hat Krankenkassen und Pflegekassen verpflichtet mehr für Gesundheitsförderung und Prävention auszugeben (500 Millionen Euro pro Jahr).

Auswahl eigener Publikationen zu Kindergesundheit (Fionna Zöllner, geb. Klasen)
Klasen, F., Meyrose, A., Otto, C., Reiß, F., & Ravens- Sieberer, U. (2017). Psychische Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse der BELLA-Studie. Kinderheilkunde. doi: DOI 10.1007/s00112-017-0270-8
— Reiss, F., Meyrose, A.-K., Otto, C., Lampert, T., Klasen, F., & Ravens-Sieberer, U. (2019). Socioeconomic status, stressful life situations and mental health problems in children and adolescents: Results of the German BELLA cohort-study. PloS one, 14(3), e0213700.
— Wüstner, A., Otto, C., Schlack, R., Hölling, H., Klasen, F., & Ravens-Sieberer, U. (2019). Risk and protective factors for the development of ADHD symptoms in children and adolescents: Results of the longitudinal BELLA study. PloS one, 14(3), e0214412. doi: 10.1371/journal.pone.0214412
Klasen, F., Meyrose, A., Otto, C., Reiß, F., & Ravens- Sieberer, U. (2017). Psychische Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse der BELLA-Studie. Kinderheilkunde. doi: DOI 10.1007/s00112-017-0270-8
Klasen, F., Reiß, F., Otto, C., Haller, A.-C., Meyrose, A.-K., Barthel, D., & Ravens-Sieberer, U. (2017). Die BELLA-Studie – das Modul zur psychischen Gesundheit in KiGGS Welle 2. [The BELLA Study – the mental health module of KIGGS Wave 2]. Journal of Health Monitoring, 2(S3), 55-65. doi: DOI 10.17886/RKI-GBE-2017-103
— Plass-Christl, A., Haller, A.-C., Otto, C., Barkmann, C., Wiegand-Grefe, S., Hölling, H., . . . Klasen, F. (2017). Parents with mental health problems and their children in a German population based sample: Results of the BELLA study PloS one, 12 (7), e0180410. doi: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0180410
— Ravens-Sieberer, U., Otto, C., Kriston, L., Rothenberger, A., Döpfner, M., Herpertz-Dahlmann, B., Barkmann, C., Schön, G., Hölling, H., Schulte-Markwort, M. & Klasen, F. (2015). The longitudinal BELLA study: Design, methods and first results on the course of mental health problems. European Child and Adolescent Psychiatry, 24(6), 651-663. doi: 10.1007/s00787-014-0638-4
Klasen, F., Petermann, F., Meyrose, A.-K., Barkmann, C., Otto, C., Haller, A.-C., Schlack, R. Schulte-Markwort, M. & Ravens-Sieberer, U. (2016). Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kinder und Jugendlichen: Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie. Angenommen zur Veröffentlichung in Kindheit und Entwicklung, 25 (1).
Klasen, F., Otto, C., Kriston, L., Patalay, P., Schlack, R. & Ravens-Sieberer, U. (2015). Risk and protective factors for the development of depressive symptoms in children and adolescents: Results of the longitudinal BELLA study. European Child and Adolescent Psychiatry, 24(6), 695-703. doi: 10.1007/s00787-014-0637-5
— Otto, C., Petermann, F., Barkmann, C., Schipper, M., Kriston, L., Hölling, H., Ravens-Sieberer, U. & Klasen, F. (2016). Risiko- und Schutzfaktoren von Ängstlichkeit im Kindes- und Jugendalter. Ergebnisse aus der BELLA-Studie. Angenommen zur Veröffentlichung in Kindheit und Entwicklung, 25 (1).
— Plass, A., Haller, A.-C., Habermann, K., Petermann, F., Schipper, M., Wiegand-Grefe, S., Hölling, H., Ravens-Sieberer, U. & Klasen, F. (2016). Faktoren der Gesunderhaltung bei Kindern psychisch belasteter Eltern: Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie. Angenommen zur Veröffentlichung in Kindheit und Entwicklung, 25 (1).
— Hintzpeter, B., Metzner, F., Pawils, S., Bichmann, H., Kamtsiuris, P., Ravens-Sieberer, U. & Klasen, F. (2014). Inanspruchnahme von ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen durch Kinder und Jugendliche mit psychischen Auffälligkeiten: Ergebnisse der BELLA-Studie. Kindheit und Entwicklung, 23(4), 229-238. doi: 10.1026/0942-5403/a000148
— Ravens-Sieberer, U., Ottová, V., Hillebrandt, D. & Klasen, F. (2012). Lebensqualität und psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland: Ergebnisse aus der deutschen HBSC-Studie 2006 bis 2010. Das Gesundheitswesen, 74(Suppl 1), 33-41. doi:10.1055/s-0032-1312641
— Ravens-Sieberer, U., Karow, A., Barthel, D. & Klasen, F. (2014). How to assess quality of life in child and adolescent psychiatry. Dialogues in Clinical Neuroscience, 16(2), 147-158.
–Ravens-Sieberer, U., Herdman, M., Devine, J., Otto, C., Bullinger, M., Rose, M. & Klasen, F. (2014). The European KIDSCREEN approach to measure quality of life and well-being in children: Development, current application, and future advances. Quality of Life Research, 23(3), 791-803. doi:10.1007/s11136-013-0428-3
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Referenzen

  1. Jacobi, F., Hofler, M., Strehle, J., Mack, S., Gerschler, A., Scholl, L., . . . Wittchen, H. U. (2014). Psychische Storungen in der Allgemeinbevolkerung : Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul Psychische Gesundheit (DEGS1-MH). Nervenarzt, 85(1), 77-87
  2. Kessler, R. C., Demler, O., Frank, R. G., Olfson, M., Pincus, H. A., Walters, E. E., . . . Zaslavsky, A. M. (2005). Prevalence and treatment of mental disorders, 1990 to 2003. New England Journal of Medicine, 352(24), 2515-2523
  3. WHO (2017).Depression and Other Common Mental Disorders: Global Health Estimates. Geneva: World Health Organization; Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO, abgreufen von https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/254610/WHO-MSD-MER-2017.2-eng.pdf