Immer mehr Altersarmut?!

Bei etwa 50 Prozent der Deutschen wird die Rente nicht ausreichen, um ihre Ausgaben zu finanzieren. Das Armutsrisiko ist für alleinstehende Frauen und für Menschen mit geringer Bildung besonders hoch.

Viele von uns machen sich manchmal Sorgen was im Alter ist. Oft verdrängen wir sie dann wieder. Nach Umfragen der Bertelsmann Stiftung erwarten 83 Prozent der Deutschen einen Anstieg der Altersarmut. Jeder zweite Nichtrentner unter 65 Jahren macht sich manchmal Sorgen, im Alter zu wenig Geld zur Verfügung zu haben. 1 Außerdem gehen lediglich 14 Prozent der Deutschen davon aus, im Alter finanziell abgesichert zu sein. 1 Erschreckende Zahlen.

Altersarmut – Wie viele Menschen sind betroffen?

Etwa die Hälfte der Personen aus rentennahen Jahrgängen wird bei Eintritt in den Ruhestand ihren privaten Konsum einschränken müssen, da ihre Rentenanwartschaften nicht ausreichen werden, ihre Ausgaben zu finanzieren.

Markus M. Grabka, Studienautor  2

Wie wird Armut definiert?

Zur Messung von Altersarmut haben sich zwei Standardmaße etabliert:

(1) Die Armutsrisikoquote: Danach gelten Personen als armutsgefährdet, wenn ihr verfügbares Einkommen geringer als 60 % des durchschnittlich Einkommens in der Bevölkerung ist (Medianeinkommen).

(2) Die Grundsicherungsquote: Altersarmut wird hier anhand des Bevölkerungsanteils von Menschen über 65 Jahre definiert, die Grundsicherung nach SGB XII erhalten.

Was ist Grundsicherung?

Das, was Hartz IV für Jüngere ist, ist für Menschen im gesetzlichen Rentenalter die Grundsicherung. Der Höchstsatz der Grundsicherung beträgt 416 Euro pro Monat. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts haben im Jahr 2018 insgesamt 559.419 Rentner die Grundsicherung im Alter bezogen – darunter sind insgesamt mehr Frauen (58 Prozent) als Männer (42 Prozent). 3

Anmerkung. Nur wenn die Kinder ein Einkommen von mehr als 100.000 Euro im Jahr haben, entfällt der Anspruch auf Grundsicherung.

Simulationsstudien der Bertelsmann Stiftung zeigen, dass sowohl das Armutsrisiko als auch die Grundsicherungsquote bis 2036 deutlich ansteigen werden. 4 Jeder fünfte deutsche Rentner wird dann von Altersarmut betroffen sein. Dabei wird das Armutsrisiko für alleinstehende Frauen und für Personen mit geringer Bildung besonders hoch sein. 4

Portrait

Inga schiebt langsam ihren Rollator, die 74-Jährige hat Schmerzen. Sie hat nicht das nötige Geld, um sich die teuren Herz-Medikamente kaufen zu können. Sie bekommt 950 Euro Rente, zu viel, um Grundsicherung beantragen zu können. Nach Abzug von Miete und Nebenkosten bleiben ihr gut 300 Euro zum Leben. Dabei hat Inga fast vier Jahrzehnte gearbeitet. Sie arbeitete als Krankenschwester. Als die zwei Kinder kamen, hat sie einige Jahre ausgesetzt und danach in Teilzeit weitergearbeitet. Nach zehn Jahren war ihre Ehe kaputt und Inga musste für die zwei Kinder allein sorgen. Als dann auch noch ihre Mutter krank wurde, konnte sie für einige Jahre nur noch wenige Stunden pro Woche arbeiten. „Ich habe immer gut gearbeitet und in die Rente eingezahlt. Irgendwie habe ich immer gedacht, dass das für ein anständiges Leben im Alter reichen wird.“ Inga hofft, dass es ihre Kinder einmal besser haben werden als sie. Aber so richtig kann sie nicht daran glauben. Gerade hat sie wieder in der Zeitung gelesen, dass es mit der Rente noch weiter bergab gehen soll.

Bild von cocoparisienne auf Pixabay

Was kann die Politik tun?

Eine verlässliche Altersversorgung ist eines der Kernversprechen unseres Sozialstaats. Ab 2020 gehen die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand. Der demografische Druck auf die Rente steigt. Immer weniger Jüngere werden für immer mehr Ältere die Rente finanzieren müssen.

Die Politik muss dringend stärkere Anreize zur Bildung von privaten Vermögen zur Altersvorsorge setzen. Zum Beispiel durch eine Umleitung der staatlichen Zuschüsse für Riester-Renten in Richtung eines kapitalgedeckten Modells, wie beispielsweise der Schwedenfond oder die Vorschläge zur Deutschlandrente. 5

In Schweden gibt es bereits seit 1999 eine kapitalbasierte Altersvorsorge für alle, verwaltet von einer staatlichen Einrichtung. Jeder Arbeitnehmer zahlt 2,5% seines Bruttolohns in diese Rentenversicherung ein.
Die hessische Landesregierung hat mit Professoren der Universität Magdeburg Vorschlägen für eine Deutschlandrente erarbeitet. 6 Ziel dieser Idee ist das Angebot an kostengünstigen und vertrauenswürdigen Vorsorgeangeboten in der privaten Altersvorsorge zu erhöhen.

Außerdem könnte die Ausweitung der gesetzlichen Rentenversicherung auf Selbständige das gesetzliche Rentensystem entlasten. 7

Die Politik muss dringend mehr für die Alterssicherung von Geringverdienenden tun. 5  Niedrigverdiener und solche mit geringen Beitragszeiten sind von Altersarmut bedroht. In vielen Industrieländern werden Renten von Geringverdienern vom Staat aufgestockt, nicht aber in Deutschland.

Referenzen

  1. Bertelsmann Stiftung. (2018). Demographischer Wandel: Wahrnehmungen und Einschätzungen der Bevölkerung. Ergebnisse einer Repräsentativbefragung.
  2. Grabka, M. M., Bönke, T., Göbler, K., & Tiefensee, A. (2018). Rentennahe Jahrgänge haben große Lücke in der Sicherung des Lebensstandards. DIW-Wochenbericht, 85(37), 809-818.
  3. Statistisches Bundesamt. (2018). Dezember 2018: 1,9 % mehr Personen erhielten Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Pressemitteilung Nr. 130 vom 3. April 2019. Abgerufen von https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/04/PD19_130_228.html
  4. Haan, P., Stichnoth, H., Blömer, M., Buslei, H., Geyer, J., Krolage, C., & Müller, K.-U. (2017). Entwicklung der Altersarmut bis 2036: Trends, Risikogruppen und Politikszenarien: ZEW-Gutachten und Forschungsberichte
  5. Grabka, M. M., Bönke, T., Göbler, K., & Tiefensee, A. (2018). Rentennahe Jahrgänge haben große Lücke in der Sicherung des Lebensstandards. DIW-Wochenbericht, 85(37), 809-818
  6. Knabe, A., & Weimann, J. (2017). Die Deutschlandrente: Ein Konzept zur Stärkung der kapitalgedeckten Altersvorsorge. ifo Schnelldienst, 70(18), 25-33
  7. Buslei, H., Geyer, J., Haan, P., & Peters, M. (2016). Ausweitung der gesetzlichen Rentenversicherung auf Selbständige: merkliche Effekte auch in der mittleren Frist. DIW-Wochenbericht, 83(30), 659-667

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert